Wie wir den Sommer als Reflexionsraum nützen können
Öfter passiert es den meisten von uns, dass wir im Nachhinein sagen „ich habe es gewusst“ oder „es war schon am Anfang klar“ und „hätte ich nur anders reagiert“. Der Naturforscher Alexander von Humboldt sagte um 1800 „Überall geht ein frühes Ahnen dem späteren Wissen voraus.“ Wie gelingt es uns, wichtige Zeichen zu sehen, zu verstehen und Konsequenzen zu ziehen?
Entschleunigung bewirken
Wenn wir konstant mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind, können wir Eindrücke und Erlebnisse nur partiell verarbeiten. Die Gefahr ist, dass wir uns immer schneller durch unser Arbeitsleben bewegen und zu Getriebenen werden. Wir verlieren dabei die Verbindung zu unserem inneren Zentrum und geben zu viel Kraft undifferenziert nach außen. Der Ausstieg aus dem rotierenden Gedanken- und Emotionskarussell scheint mehr und mehr unmöglich. Um die Dynamik zu stoppen, brauchen wir eine bewusste Entschleunigung. Dazu gehört, nicht sofort auf Impulse von außen zu reagieren und sich für Entscheidungen Zeit zu lassen. Schaffen wir es, von der schnellen Handlung mehr in die Beobachtungshaltung zu wechseln, eröffnet sich ein neuer Blick auf uns selbst und unser Umfeld.
Distanz schaffen
Der Sommerurlaub ist ideal, um bewusste und klärende Distanz zu schaffen. Wenn es uns gelingt aus den Prozessen des Arbeitsalltags auszusteigen, können gewohnte Abläufe und eigene Muster durchbrochen werden.
Im Kunstwerk von Claude Monet ist dargestellt, wie die Natur zwischen dem Dorf und unserer Position liegt. Dies könnte die Distanz zu unserem gewohnten Umfeld symbolisieren, z.B. zu den Kommunikationskanälen wie Telefon, Email, Web 2.0 Plattformen etc.. Unerreichbarkeit führt uns unmittelbar näher zu uns selbst. Dabei können wir uns sammeln und zentrieren, ohne funktionieren zu müssen. Wir schaffen eine innigere Beziehung zu dem, was uns bewegt und was unsere eigene Natur ausmacht. Wir haben die Wahl, den Sommer mit Ruhe und Gelassenheit oder wild und lebendig zu erleben. Vor allem bietet die Sommerzeit mit dem vermehrten Freiraum die Chance, spontan zu sein und den intuitiven Impulsen zu folgen. Meist entsteht fast wie von selbst Entschleunigung und Druckentlastung, die sich wohltuend und regenerierend auswirkt.
Reflexionsräume nützen
In der entstehenden Verlangsamung eröffnet sich ein Reflexionsraum, der uns ermöglicht, Beobachtungen zu verarbeiten und dazu gehörende Ahnungen zuzulassen. Oft ist Wesentliches nicht mit reiner Analyse zu erkennen. Intuitives Erfassen gibt die ungreifbaren Zwischenräume frei. Das können zum Beispiel Sätze sein, die nie ausgesprochen wurden, jedoch impliziert sind.
Nach dem genialen Physiker und Denker Albert Einstein ist „das eigentlich Wertvolle im Grunde die Intuition“. Unsere Intuition gibt uns durch irreale Wahrnehmung Impulse, dass etwas ist. Im Kunstwerk von Tamara de Lempicka bekommt die Frau ein zweites Gesicht, bei dem der Blick ins Nichts zu gehen scheint. Dem „vordergründig Unsichtbaren“ können wir uns mit der Intuition nähern. Die Ahnungen sind frei von dem, was wir schon wissen und unseren Wertungen. Intuition eröffnet uns neue Räume und erweitert unsere sensitive Wahrnehmung für Zukünftiges. Wenn wir uns selbst in unseren diffusen Gefühlen ernst nehmen, schärfen und entwickeln wir unsere Sensorik für die Außenwelt. Das Diffuse wird erfasst und kann im reflektiven Austausch mit anderen weiter konkretisiert werden. Die gewonnene Stärke durch den Zugang zur Intuition symbolisiert der klare ausgerichtete Blick der rechten Frau.
Entscheidungen treffen
Die Jahresmitte ist ideal um inne zu halten und das erste Halbjahr Revue passieren zu lassen. Was hat sich wie entwickelt? Waren von Anfang an die Zeichen stimmig? War es zu Beginn schwierig und ist es schwierig geblieben? Was sagt meine Intuition? Welche Korrekturen braucht es? Wo braucht es ein Beenden und Abschließen? Wo einen Neuanfang?
Wir können durch unsere Klarheit und den Mut zu korrigieren oder abzuschließen und neu zu beginnen uns und unser Umfeld stimmig ausrichten. Durch Konzentration auf das Wesentliche reifen wir in unserer Persönlichkeit und erreichen die höchst mögliche Lebens- und Arbeitsqualität.
Christine Kranz im Web
Bildnachweis: Bordighera, 1884, Claude Monet, The Art Institute of Chicago
The Young Ladies, 1927, Tamara de Lempicka, private collection
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