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Das starke Ich

Aktualisiert: 15. Apr.

Selbstführung als erster Schritt


Authentisch sein, bedeutet noch lange nicht, ungefiltert alles der Welt zur Verfügung zu stellen. Und souverän werden wir erst dann, wenn wir unsere innere und somit auch äußere Steuerung bewusst gestalten.


Um führen zu können, auf aktuelle Anforderungen, komplexe Umwelten eingehen zu können und Menschen mit Strategien zu verbinden, ist die Selbstführung der erste Schritt, um wirkungsvoll zu sein.


Was muss man erfahren haben, um eine starke Führungspersönlichkeit zu werden?


…vor allem sich selbst

Dieses Selbsterfahren gelingt durch eigene, tiefe Auseinandersetzung mit sich und mit der eigenen Umwelt. Die Beschäftigung mit sich alleine macht jedoch noch keine starke Persönlichkeit aus. In der Begegnung mit anderen, dem Erkennen, wie man auf andere wirkt, was man bei anderen auslöst und welche Hinweise man dadurch über sich selbst bekommt, ist genauso wesentlich wie die Innenschau, die Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken, Schwächen, Erwartungen an sich und die Welt und der Bereitschaft, sich darauf einzulassen – mit aller Konsequenz. Denn sich selbst erfahren und kennen lernen bedeutet auch eine Auseinandersetzung mit den eigenen Schattenseiten, den verdrängten Persönlichkeitsanteilen, den unbewusst verborgenen Bereichen. Und diese Reise ist ein eigenes Abenteuer, erkenntnisreich, teilweise auch verunsichernd und nicht nur angenehm.

Wenn wir das Kunstwerk betrachten: Was sehen wir? Eine starke Frau, mit klarem Blick. Sie wirkt präsent und weich, offen und hält Distanz. In der linken Hand hält sie einen geöffneten Granatapfel – ein Sinnbild für Vollkommenheit, ein Symbol für Einheit in der Vielheit, für Fülle und für schöpferische Gestaltungskraft. In der rechten Hand zeigt sie ihre Maske. Sie selbst entscheidet, wann sie die Maske aufsetzt und wann sie ihr Inneres zeigt.

Das Wissen über die eigene Persona – unser im außen sichtbares Ich – und die Fülle unserer inneren Persönlichkeit ist ein wesentlicher Aspekt. Bewusst zu steuern was wir wann und vor allem wie nach außen bringt macht uns stark.


Eine Prise Psychologie – Persona

Persona bezeichnete ursprünglich eine im antiken griechischen Theater von den Schauspielern verwendete Maske. In der Tiefenpsychologie gilt die Persona als „äußere Persönlichkeit“ als eine Voraussetzung der Möglichkeit zur Kommunikation mit der Außenwelt. Gleichzeitig dient sie auch als eine Art Hülle der inneren Persönlichkeit zum Schutz des „individuellen Ichs“ und gibt ihm die nötige Distanz.


Nicht alle stark wirkenden Menschen sind auch starke Persönlichkeiten. Denn eine Ich-Stärke ist nicht nur erkennbar an oberflächlicher Stärke sondern an tiefer Erkenntnis. Mit der Persona möchten wir im Außen bestätigt werden. Wir zeigen uns mit den idealen Facetten unserer Persönlichkeit. Was aber nicht ideal an uns ist, bleibt verborgen. Eine starke Persönlichkeit weiß sowohl über ihren äußeren, bewussten Charakter Bescheid und setzt sich auch mit ihrem eigenen inneren, unbewussten Charakter und Schattenanteilen auseinander und steuert bewusst die Verbindung von innen nach außen. Denn nicht alles, was für uns sichtbar und spürbar ist, ist auch immer sinnvoll, ungefiltert nach außen zu bringen.


Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten.

Der oben erwähnte „Schatten“ ist nicht als Wertung zu verstehen, sondern bezeichnet lediglich die unbewussten Anteile unseres Selbst. Der Schatten löst sich nicht von uns, sondern begegnet uns in unseren Projektionen. Wenn wir unseren Schatten nicht in unsere Persönlichkeit integrieren, schwächt uns das. Reife Persönlichkeiten sind nicht schattenlos, sondern sind sich ihrer Schattenanteile bewusst, wissen über eigene innere Prozesse, und wie diese im außen wirken Bescheid, und haben somit eine tiefere Erkenntnis über sich und die Begegnung mit anderen. „Das macht uns dann weniger „ideal“, dafür aber lebendiger, menschlicher und toleranter. ” (Verne Kast)


Kennen Sie Peter Schlemihls wundersame Geschichte von Adelbert von Chamisso? Der Mann, der seinen Schatten für Gold verkauft und erfahren muss, dass er ohne Schatten unvollkommen ist. Den eigenen Schatten loswerden? Nein, versuchen Sie es gar nicht – die Mühe kann sich niemals lohnen und es würde etwas Wesentliches fehlen.


Projektion

„Was Paul über Peter sagt, sagt mehr über Paul aus als über Peter." (Baruch de Spinoza)

Die Analytische Psychologie geht davon aus, dass wir insbesondere unseren Schatten nach außen projizieren. Projektion bezeichnet den Mechanismus, dass wir etwas, das wir bei uns selbst nicht sehen können, in unserer Umwelt wahrnehmen.

Das kann sich zum Beispiel so zeigen, wenn jemand, der Aggression projiziert, sich ständig darüber beklagt, wie aggressiv alle Menschen in seiner Umgebung sind, sich selbst für den friedliebendsten Menschen der Welt hält. Eine Führungskraft, die den eigenen Zugang zu ihren tiefen Gefühlen nicht zulässt, ist irritiert, wenn ihre Mitarbeitenden starke Emotionen zeigen, da sie für sich selbst einen hohen Anspruch an Kontrolle hat. Ein Manager, der sich wundert, warum sein Team hohe Abhängigkeit zeigt, wenn es um Entscheidungen geht, projiziert unter Umständen sein eigenes Bedürfnis, gebraucht zu werden, nach außen und lehnt es gleichzeitig innerlich ab. Auch ungelebte positive Gefühle können nach außen projiziert werden, wie zum Beispiel die volle Bewunderung für eine mutige Kollegin oder die Begeisterung für einen durchsetzungsstarken Kollegen.


Nicht alles ist Projektion. Doch dort wo wir starke Gefühle in uns bemerken oder wiederkehrende Themen erleben, könnte es sich lohnen, genauer hinzusehen, zu beobachten, was wir möglicherweise nach außen projizieren und auch zu erkennen, wo wir uns selbst als Projektionsfläche für andere anbieten.


Warum ist es sinnvoll, sich selbst besser kennen und verstehen zu lernen?

Mahamtma Gandhi hat gesagt: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt.“ In diesem Zusammenhang ist Selbsterkenntnis also nicht nur der Schlüssel zu uns selbst, sondern auch ein Schlüssel für die Welt. Selbsterkenntnis macht uns innerlich freier. Ein Potential, das wir dann nicht nur eigennützig verwenden, sondern auch als Stärke nach außen bringen können. Die großen Überschriften „Sinnvoll und verantwortlich handeln“, „souverän sein“, „Anteil nehmen“, „einen Beitrag leisten“ in uns zu finden, drückt sich dann auch in einer Stärke aus, wie es die Welt braucht.

Und damit es auch ernst endet: „Wer nicht über sich selbst lachen kann, der nimmt das Leben nicht ernst genug“. Vergessen Sie also nicht, neben dem Erlangen von Tiefe und Reife ausreichend Unreife und Leichtigkeit sich selbst und anderen gegenüber zu bewahren.


Elisabeth Sechser

Symbolon-Spezialistin, Wien


Bildnachweis: Kunstwerke: Nachahmung als gemeinsames Prinzip der Künste, Lorenzo Lippi (1606-1665), Musée des Beaux Arts; Die Illustration „I see you“, nuvolanevicata, Fotolia; Foto: Shadowland, Sebastian Konopka


Quellen-Auszug: Symbolon AG, synTeam Dr. Kraft, changeX – in die Zukunft denken, Jung, Carl Gustav: Psychologie und Alchemie., Jacobi, Jolande: Die Psychologie von C.G. Jung. Eine Einführung in das Gesamtwerk. Verena Kast: Der Schatten in uns, Die subversive Lebenskraft


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