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Was macht die Kunst im professionellen Coaching?

Viele Menschen spüren in sich ein Bedürfnis zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Kaum jemand will denselben Fehler zweimal machen oder Chancen ungenutzt verstreichen lassen. Sich im Beruf zu verwirklichen und die eigene Berufslaufbahn zu steuern, erfordert bewusste Entscheidungen. Um der Komplexität des Lebens und der eigenen Persönlichkeit gerecht zu werden, reicht es nicht „im Kopf“ zu bleiben. Und hier beginnt die Kunst.


Seit über 20 Jahren sind Bildmaterialien zentraler Bestandteil im Symbolon Coaching. Zum Beispiel legen wir vier Portraitbilder von Frida Kahlo vor und bitten den Coachee auszuwählen, welches ihm oder ihr sympathisch und welches ihm oder ihr unsympathisch ist. Anschließend fragen wir nach den Assoziationen zu den Bildern und übertragen die „spontanen“ Gedanken auf die aktuelle Arbeitssituation und das Coachinganliegen. Mit den eingesetzten Kunstwerken erreichen wir ein Mind Opening, ein Öffnen des Denkens. Das ist wesentlich, um sich aus festgefahrenen Situationen zu lösen und Neues zu entwickelt.


Die Fähigkeit Bewusstheit im Coachingprozess zu fördern ist eine entscheidende Kernkompetenz professioneller Coaches. Es geht dabei darum, dem Coachee „Einsicht und Lernen durch den Einsatz von Tools und Techniken, wie. Z.B. wirkungsvolles Fragen, Stille, Metaphern oder Analogien“ (ICF Kernkompetenzen, 2019) zu erleichtern. Wie die Kunst das macht und warum sie im Coaching so zielführend ist, beschreiben wir mit Eisberg, Codes und Resonanz.


Unter der Oberfläche zeigt sich die Lösung

Der schwimmende Eisberg wird seit Jahrzehnten als Modell genutzt, um zu verdeutlichen, dass bei Angelegenheiten der Psyche, der Kommunikation oder der Unternehmenskultur der sichtbare Bereich nur ca. 20% des Ganzen ausmacht. Der größere Teil des Eisbergs verbirgt sich im Wasser. Die Metapher verdeutlicht, dass Bereiche unter der Oberfläche spürbar und einflussreich sind, auch wenn sie nicht sichtbar oder bewusst sind. Gerade im professionellen Coaching ist das entscheidend, denn: „Das Unbewusste bestimmt uns in unserem Handeln, insbesondere in den alltäglichen, aber auch in den ganz entscheidenden Dingen unseres Lebens stärker als das Bewusstsein“ (Ryba 2018, S. 65)


Im Business Coaching geht es oft um Selbstmanagement-Anliegen wie z.B. einen entspannteren Umgang mit Emotionen oder eine bessere Übersicht im Zeitmanagement. Um sich den eigenen Denk- und Handlungsmustern bewusst zu werden, reicht ein Lauf auf dem Eisberg nicht aus. Es braucht Tauchprozesse, um die Strukturen unterhalb der Oberfläche zu erfassen. Doch wie gelingt es, unbewussten Mustern auf die Spur zu kommen? Ist es doch die Natur des Unbewussten, nicht gesehen bzw. erkannt zu werden.


Bilder vermitteln zwischen Gefühls- und Denkwelt

Bilder dienen als Medium oder Übersetzer zwischen bewussten und unbewussten Ebenen (Messerschmidt, 2015). Sie wirken wie ein Strahler, der beim Tauchen die Eisbergstrukturen unter der Oberfläche ausleuchtet. Die Multiple Code Theory und die Symbolbildung nach Jung erklären die Wirkungsweise von Bildern in Bewusstwerdungsprozessen.


Die Multiple Code Theory von Bucci (1997) verdeutlicht, dass wir Informationen in mehreren Weisen wahr- bzw. aufnehmen. Buchstaben und Worte werden symbolisch-verbal, Bilder symbolisch-nonverbal und Körpergefühle subsymbolisch wahrgenommen. Bilder stehen dabei zwischen der bewussten Wahrnehmung von Buchstaben und Worten und der unbewussten Wahrnehmung von Körpergefühlen. Bilder sind somit an beide Ebenen, die Gefühlsebene und den Verstand, anschlussfähig. Bilder können sowohl bewusst als auch unbewusst verarbeitet werden. Das ermöglicht ihnen eine Verbindung zwischen der Gefühls- und Denkwelt herzustellen (Messerschmidt 2015).


Im Symbolon Coaching zeigen wir zum Beispiel Kunstwerke, auf denen viele Tiere abgebildet sind. Der Coachee wählt sich dann im Coachingprozess ein Tier, das für seine aktuelle Arbeitssituation und ein zweites Tier, was für seine Zukunftssituation steht, aus. Beim Betrachten des Bildes und Wählen spürt die Person in sich hinein, welche Tiere sich stimmig anfühlen. Mit diesem Prozess aktiviert sie die Gefühlsebene. In der anschließenden Reflexion mit den Tierbildern gelingt eine Verbindung zwischen der Gefühls- und Denkwelt und damit wird Bewusstheit gefördert.


Eine ergänzende Erklärung zur Wirkweise von Bildern bietet die Symbollehre nach C. G. Jung. Jung versteht Symbole als „Botschafter des Unbewussten“ mit der Aufgabe Entwicklung anzuregen (Roth 2011, S. 167). Demnach hält jedes Bild, das eine Resonanz auslöst und uns z.B. emotional berührt, eine implizite Botschaft bereit. Die weiterführende Frage ist dann: Was löst das Bild in mir auch in Bezug zu meinen Arbeitsthemen aus? Indem die Person ihre Assoziationen zum Bild in Worte fasst und hineinspürt, nähert sie sich dem Unbewussten und findet Worte für das bislang Unaussprechliche. Durch das „in Worte fassen“ wird das Unbewusste bewusst und die Botschaft des Symbols entschlüsselt. Durch die Erkenntnis erweitert sich der wahrgenommene Handlungsspielraum.


Um im dem eben genannten Beispiel mit dem Tierbild im Symbolon Coaching zu bleiben: Welche Tiere im Moment der Wahl die größte Resonanz auslösen, ist rational kaum zu erfassen. Die spontane Wahl geschieht intuitiv. Die ausgewählten Tierbilder sind Botschafter des Unbewussten. Zu einem späteren Zeitpunkt kann die Wahl durchaus unterschiedlich sein. Je nachdem was der Coachee gerade für seine bzw. ihre Entwicklung braucht, löst es die individuelle und passende Symbolbedeutung aus. Das Bild ist somit das Medium, was den Weg zu den akuten Entwicklungsthemen und Lösungen zeigt. Indem der Coachee selbst die Tiere wählt und in sich hineinspürt, was sich gerade stimmig anfühlt, ist sie ganz bei sich. Was immer sie wählt, es ist genau richtig. Die anschließende Reflexion im Coaching ermöglicht ihr die Botschaft zu entschlüsseln und unter die Oberfläche zu sehen. Die Lösung ist im Coachee angelegt und wird ihm durch den Symbolon Coachingprozess bewusst.


Resonanzen zeichnen den Lösungs- und Entwicklungsweg vor

Im Symbolon Coaching ist es der Anspruch, effektiv zu kommunizieren sowie Lernen und Entwicklung zu kultivieren. Indem wir ausgewählte Kunstwerke einsetzen, nutzen wir Bilder, um Bewusstheit zu fördern und den Einfluss des Unbewussten sichtbar zu machen (Kranz, 2011). Eine Positionierung in einer gemalten Landschaft löst zum Beispiel unmittelbar ein Gefühl aus: „Hier fühle ich mich wohl“. Dabei ist die spontane Resonanz „nur“ der Anfang. Beim Hineinspüren in die Position werden Bedürfnisse, Wünsche und Überzeugungen deutlich. Erst das Einlassen und das Eintauchen in die Assoziationen zu dem Bild ermöglichen einen Perspektivenwechsel und das Erkennen der wirkenden Mechanismen.


Über die Bilder und Symbole eröffnet sich dem Coachee ein Raum, der über sein bzw. ihr aktuelles Denken hinaus geht. Um Bewusstheit zu fördern ist der Einsatz von Kunst im Coaching höchst effektiv und zielführend. Die Redewendung verdeutlicht es: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Über die Resonanz zu den Bildern sind wir unmittelbar an den unbewussten Themen, die für eine Lösung des Coachinganliegens relevant sind. Wesentlich ist dann, die professionelle Begleitung des Reflexionsprozesses mit anschließendem Praxistransfer. Die richtigen Fragen zur richtigen Zeit entlang der Resonanzen zu stellen, ist die wirkliche Expertise im professionellen Coaching mit Kunst, die tiefgreifende Erkenntnisse und Entwicklung ermöglicht.


Die gezeigte Kunst im professionellen Coaching macht einen Unterschied bezüglich der Bewusstseinsebene, auf der im Coaching gearbeitet wird. Mit Bildern als Vermittler werden unbewusste Aspekte erkannt und integriert. Mit Symbolon Coaching gelingt es Bewusstheit zu fördern und sich persönlich sowie beruflich zu entwickeln. Kunst befreit.


Interesse, eigene Coaching Kompetenzen zu entwickeln?

In der Symbolon-Academy bieten wir Aus- und Weiterbildungen für angehende und etablierte Coaches an. Unsere Weiterbildungen sind ICF zertifiziert. Gerne lernen wir Sie kennen und besprechen mögliche Wege ins Symbolon Coaching.



Christine Kranz, MCC



Bildnachweis: René Magritte, Le Baiser, 1951, The Museum of Fine Arts, Houston


Literatur:

  • Bucci, Wilma Ph.D. (1997) Symptoms and symbols: A multiple code theory of Somatization, Psychoanalytic Inquiry, 17:2, 151-172, DOI: 10.1080/07351699709534117

  • ICF Kernkompetenzen (2019) Update ICF Kernkompetenzen.(rev.07.14.21) https://coachingfederation.org/app/uploads/2021/07/Updated-ICF-Core-Competencies_German_Brand-Updated.pdf

  • Kranz, Christine (2011) Durch Selbstreflexion zum Erfolg: Potenziale erkennen, Persönlichkeit entwickeln, Ziele erreichen (2. überarb. Aufl.) Triesen, Symbolon Verlag

  • Messerschmidt, Jasmin (2019) Professionell coachen mit Bildmaterialien. Die Sprache des Unbewussten verstehen und nutzen. Springer

  • Messerschmidt, Jasmin (2015) Das selbst im Bild – Eine empirische Studie zum Einsatz von Bildmaterialien zur Förderung von Selbstreflexions- und Selbstveränderungsprozessen im Einzelcoaching. Frankfurt a. M., Lang

  • Roth, W. (2011) C.G. Jung verstehen (2. Aufl. der Neuausgabe von 2009). Ostfildern: Patmos.

  • Ryba, A. (2018) Coaching und die Rolle des Unbewussten: Neurowissenschaftliche Erkenntnisse für eine wirksame Coaching-Praxis. In Wegener et al. (Hrsg.), Wirkung im Coaching, (S. 57-73). Göttingen, Vandenhoek & Ruprecht

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