„Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten“…
… gab dereinst Friedrich Schiller zu bedenken und hat wohl übersehen, dass sich hier die Katze in den Schwanz beißt. Nichtsdestoweniger, so scheint es, gilt das Schillersche „Prinzip“ heute mehr denn je. Das Handeln wird dem Denken vorgezogen ‑ das Theoretische verunglimpft, das Praktische hingegen geheiligt. Eine Entwicklung, der wir kritisch gegenüber stehen. Nicht zuletzt deshalb, weil wir der Auffassung sind, dass die globalen Wirtschafts- und Geldkrisen, die noch immer nicht überwunden scheinen, Kollateralschäden einer Kultur des Handelns sind, wie sie seit geraumer Zeit Hochkonjunktur hat. Wir plädieren daher für eine Kultur des Nachdenkens. Nicht als Alternative zum Handeln, denn selbiges ist weder verzichtbar noch per se schlecht, sondern als seine Voraussetzung. Der wichtigste Grund für dieses Plädoyer ist die Tatsache, dass die Qualität unserer Handlungen radikal von der Qualität unseres Denkens abhängig ist, was daran liegt, dass Handlungen keine Ursachen haben, sondern in der Regel Gründe.
Vernünftige Handlungen, also solche, die wir letztlich auch verantworten können, sind nicht das Ergebnis autonomer, gesetzmäßiger Abläufe, sondern sie ruhen auf den jeweiligen Gründen, die wir dafür haben. Zu diesen Gründen aber kommen wir, indem wir über die Dinge nachdenken, und je besser die Gründe sind, je klarer sie vor uns liegen und je behutsamer wir sie abgewogen haben, desto wirkmächtiger werden unsere Handlungen sein, wenn es darum geht, mit den Problemen, die uns vorgelegt sind, auf gedeihliche Weise umzugehen.
Der Vorwurf, der postwendend im Raum steht, die Philosophen würden sich als die Einzigen sehen, die des Nachdenkens über die Zusammenhänge in der Welt befähigt sind, während es allen anderen ‑ vor allem den sogenannten „Praktikern“ ‑ an dieser Fähigkeit mangelt, lässt sich einfach entkräften. Es besteht kein Zweifel daran, dass im Management nachgedacht wird. Doch nicht alles Denken ist ein und dasselbe Denken.
Es gibt feine, wenngleich fundamentale Unterschiede, die sich am schönsten mit dem Philosophen Martin Heidegger herausstellen lassen. Heidegger unterscheidet zwischen dem kalkulierenden Denken und dem besinnlichen Denken. Während das kalkulierende Denken im Voraus auf Erfolge hin abgestellt ist, ist das besinnliche Denken einzig und allein dem Verstehen dessen geschuldet, was ist. Anders als das kalkulierende Denken taugt es nicht für die Bewältigung der laufenden Geschäfte. Es bringt nichts ein für die Durchführung der Praxis. Es ist ein Nachdenken vom „Lehnstuhl“ aus, das Prinzipielle im Blick, die letzten Gründe erfragend. Und so gibt es also zwei Arten von Denken, die beide jeweils auf ihre Weise berechtigt und nötig sind: das kalkulierende Denken, also das „Denken des Managements“ und das besinnliche Denken, das „Denken der Philosophie“. Von diesem letzteren aber ist die Rede, wenn wir für eine Kultur des Nachdenkens plädieren. Es ist ein Hinzufügen des einen zum anderen.
Dr. phil. Bernd Waß & Dr. Heinz Palasser im Web
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