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Was kann passieren, wenn wir den Schwachen eine Chance geben?

Aktualisiert: 19. Aug. 2020

Mit schlechtem Start und viel Potenzial


Wenn wir Potenzial als noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeit verstehen, müssten die Schwächsten am meisten davon haben. Warum fördern Unternehmen fast ausschließlich die Erfolgreichen, die sogenannten High-Potentials? Dies gilt es in Frage zu stellen, denn welche Chancen wir verpassen können, zeigen die folgenden vier ganz unterschiedlichen Geschichten.


Suche Kandidaten mit schlechten Noten

Im Artikel „Warum ein Unternehmer Azubis mit schlechten Noten einstellt“ beschreibt Miriam Eckert eine berührende Geschichte zum Thema Potenzialentfaltung von Lehrlingen. Dem Berliner Unternehmer Jürgen Stark sind die Zeugnisse der jungen Menschen nicht so wichtig, die Förderung dafür umso mehr. Er nimmt sich viel Zeit für das Bewerbungsgespräch. Versucht zum Beispiel zu klären, ob die KandidatInnen ehrlich sind, ihm in die Augen schauen und frei reden können. Seine Entscheidung bezieht er auf menschliche Voraussetzungen und ob die Chance der Entwicklung besteht. Er fördert und motiviert seine Lehrlinge, indem er ihnen lösbare Aufgaben gibt. So nehme er sich für die jungen Menschen Zeit, bleibe mit ihnen im Gespräch und könne mittelfristig erstklassige Mitarbeitende gewinnen. Link zum Artikel

Verkanntes Genie

Das Selbstportrait von Vincent van Gogh zeigt ihn ein Jahr vor seinem Tod, im Alter von 37 Jahren.

Das Gesicht ausdrucksstark, gezeichnet von Entbehrungen und Not. Kaum jemand hat ihm zu Lebzeiten eine Chance gegeben. 100 Jahre später werden seine Werke zu unermesslichen Preisen gehandelt.

Es ist anzunehmen, dass der verrückte van Gogh wenig Förderung gebraucht hätte, um besser und länger leben zu können. Er hätte seine Genialität zur weiteren Entfaltung bringen und damit sein Werk wachsen lassen können. Seine Förderer hätten im Laufe der Zeit ein wertvolles Vermögen gewonnen, die Menschheit weitere Werke erhalten, die in ihrer Intensität und Ausdruckskraft einzigartig wären.


Früh gelernt, wie man es „nicht macht“

Ein junger Unternehmer erzählte mir, dass er als Kind zum Zeitpunkt seiner Einschulung zu seinen Eltern nach Zentraleuropa nachgeholt wurde. Durch sein unterschiedliches Aussehen ständig gehänselt, von Lehrkräften im Stich gelassen, schlug er sich im Mangel der Deutschen Sprache auch körperlich durch. Der leidvolle Weg setzte sich auch in den ersten frühen ausbeutenden Jobs weiter. Er erzählte, dass ihm aus jetziger Sicht die damals schwierigen Bedingungen die Motivation und Kraft gaben, für seine Familie und sich ein gutes Leben zu schaffen. So ging er mit viel Arbeitseinsatz konsequent den eigenen Weg. Er habe früh gelernt, wie man es „nicht macht“. Sein Führungsstil und Unternehmertum ist ein engagiertes, chancengebendes Miteinander. Sein erfolgreiches innovatives Unternehmen bekommt internationale Anerkennung und steht in jeder Beziehung für Service und Qualität.


Tägliche Handlungen machen den Unterschied

Während ich diesen Blogartikel schreibe setze ich mich auch persönlich verstärkt mit dem Fördern der Schwachen auseinander. Die Wirkung zeigte sich bei einer einfachen Handlung, dem Kauf einer Salbeipflanze. Die Einzige noch zu Habende war vertrocknet und hing schlapp über den Topfrand. Schnell stellte ich sie zurück ins Regal und machte mich mit dem Einkaufswagen weiter zur Abarbeitung der Liste. Ich erinnerte mich dabei an den Berliner Unternehmer und fragte mich, ob ich dem Salbei doch eine Chance geben könnte. Gewässert und eingesetzt hat er sich zu meinem Erstaunen in nur 2 Stunden prächtig erholt. Ich erlebte durch ihn ein erhellendes Erfolgserlebnis und Freude, dass er es geschafft hat.

Erfolg durch Menschlichkeit

Wenn die Starken und somit Privilegierten den scheinbar Schwachen Chancen geben, gewinnen Alle. Jürgen Stark beschreibt wie auch er persönlich von dem vermeintlich schwierigen Zuwachs im Betrieb profitiert: „Weil ich auf das Verhalten der Azubis achte, nehme ich auch mein eigenes Verhalten bewusster wahr.“ Im empathischen Miteinander schärfen wir unsere Reflexionsfähigkeit. Die bewusstere Selbstführung hilft situationsadäquat einzuwirken und somit die Effizienz zu steigern.


Der Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther zeigt auf, dass wenn wir Andere als Objekte behandeln und benützen, Potenzialentfaltung verhindert wird. Beziehungsfähigkeit, ehrlicher Umgang und gegenseitige Förderung sind zentrale Führungsqualitäten.


Besonders in herausfordernden Zeiten brauchen wir Ermutigung, frühzeitig und freiwillig die Komfortzone zu verlassen. Es ist ein Gewinn von Benachteiligten zu lernen und positiv überrascht zu werden, denn sie verfügen oft über eine hohe Resilienz. Haben es die Schwachen geschafft, geben sie meist um ein Vielfaches zurück.


Wenn die Starken und somit Privilegierten den scheinbar Schwachen Chancen geben, gewinnen Alle. Jürgen Stark beschreibt wie auch er persönlich von dem vermeintlich schwierigen Zuwachs im Betrieb profitiert: „Weil ich auf das Verhalten der Azubis achte, nehme ich auch mein eigenes Verhalten bewusster wahr.“ Im empathischen Miteinander schärfen wir unsere Reflexionsfähigkeit. Die bewusstere Selbstführung hilft situationsadäquat einzuwirken und somit die Effizienz zu steigern.


Christine Kranz im Web


Bildnachweis: Kunstwerk: Self-Portrait, 1889, Vincent van Gogh (1853-1890), National Gallery of Art, Washington D.C.; Foto: Christine Kranz


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